Gesellschaft

"Der Politikchronist": Löschungen und Blockierpolitik der sozialen Medien immer undurchschaubarer

Der Verein "Der Politikchronist" möchte möglich machen, dass auch Bücher und Texte, die aus unterschiedlichen Gründen nicht verlegt werden, verbreitet werden können – und das zu einem möglichst niedrigen Preis. Was dahintersteckt und wie das gehen soll, erklärte Vereinschef Jochen Mitschka.
"Der Politikchronist": Löschungen und Blockierpolitik der sozialen Medien immer undurchschaubarerQuelle: www.globallookpress.com © Klaus Ohlenschläger/Picture Alliance

Der Verein "Der Politikchronist" möchte möglich machen, dass auch Bücher und Texte, die aus unterschiedlichen Gründen nicht verlegt werden, verbreitet werden können. Grund hierfür sei oft, dass Verlage mit bestimmten Inhalten keinen finanziellen Gewinn generieren würden, oder auch, dass Algorithmen von Suchmaschinen manche Inhalte ganz nach hinten schieben. Nicht zuletzt die "Löschungen und die Blockierpolitik der sozialen Medien" trügen dazu bei. Jochen Mitschka, der 1. Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins, gab RT DE ein schriftliches Interview.

Herr Mitschka, Sie sind 1. Vorsitzender des neugegründeten gemeinnützigen Vereins "Der Politikchronist". Können Sie uns bitte zunächst kurz erläutern, worum es Ihrem Verein geht?

Vielen Dank für die Frage. Die zehn Gründer des Vereins haben festgestellt, dass es viele für die deutschsprachige Gesellschaft wichtige Veröffentlichungen nicht gibt, oder dass sie für den normalen Medienkonsumenten nicht oder nur sehr schwer überhaupt zu finden sind. Fremdsprachige Texte werden oft von Verlagen nicht übersetzt und verlegt, einfach weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Außerdem haben sich viele Verlage in ideologischen Richtungen verortet, manchmal auch, weil es für sie einfach nicht möglich ist, das gesamte politische Spektrum abzudecken.

Suchmaschinen wiederum präferieren Medien mit hohen Auflagen und Reichweiten oder verschieben durch Algorithmen Quellen aus verschiedenen Gründen nach ganz hinten ans Ende der Suchergebnisse. Die Löschungen und die Blockierpolitik der sozialen Medien werden immer undurchschaubarer, trafen zuletzt sogar öffentlich-rechtliche Beiträge. Und schließlich gibt es einen Tsunami von Informationen, der mit viel Werbeaufwand über die Medienlandschaft hinwegrollt. Wer sich ein Bild von verschiedenen Meinungen und Denkansätzen verschaffen will, benötigt viel Zeit, auch eine gewisse Bildung wegen fremdsprachlicher Beiträge und natürlich Geld.

Wir beabsichtigen, mehrere Dinge gleichzeitig zum Beispiel im Bereich der Bücher zu realisieren: Texte einfach und verständlich in Deutsch anzubieten, und das zu einem möglichst niedrigen Preis. Außerdem sollte dieses Wissen zum Allgemeingut werden, weshalb wir es für nichtkommerzielle Zwecke ohne Lizenzkosten kopierbar machen.

Was hat Sie und Ihre Mitstreiter zur Gründung des Vereins bewogen. Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Da kommen wir zu einem weiteren Punkt, den ich eigentlich schon in der ersten Frage hätte unterbringen sollen. Viele wichtige Beiträge existieren nur virtuell, im Internet. Aber nach dem Militärputsch in Thailand 2006 hatte ich in den darauffolgenden Jahren festgestellt, wie Beiträge im Internet jedes Jahr weniger wurden. Nicht nur wegen der Zensur, sondern auch, weil die Dateneigner nicht aufmerksam genug waren oder die Inhalte bewusst gelöscht hatten.

So ergab sich im Laufe der Zeit ein Bild, welches weitgehend der offiziellen Lesart der (jetzigen) Militärregierung entspricht. Man sagt ja: Der Sieger schreibt die Geschichte. Etwas Ähnliches könnte man von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sagen. Und um die pluralistische Meinungsvielfalt zu erhalten, benötigt man Medien, welche auch nach mehreren Jahren noch unverändert verfügbar sind. Und das sind zum Beispiel Bücher. Aber das gilt jetzt nur für mich. Jedes Mitglied hat seine eigenen Erfahrungen und Gründe, warum es im Verein mitarbeitet.

Wie genau funktioniert das eigentlich? Ergeben sich dabei nicht Konflikte oder zumindest Interessenüberschneidungen mit Verlagen?

Nein, wir wollen sicher nicht mit kommerziellen Verlagen konkurrieren. Diese decken insbesondere den Mainstream hervorragend ab. Aber Meinungspluralismus erfordert eben auch, nicht nur Profit generierende Meinungen allgemein verfügbar zu machen. Und deshalb wollen wir dort ansetzen, wo die Verlage aufhören. Wir bitten die Verlage auch nachzuschauen, welche Rechte für gesellschaftlich interessante oder relevante Medien noch bei ihnen schlummern, die aber keine kommerzielle Zukunft haben. Da wir als gemeinnütziger Verein eine andere Kostenstruktur haben, können wir auch Kleinauflagen realisieren, welche für Verlage Verlustgeschäfte sind.

Sie sprechen davon, frei kopierbare sogenannte CC-Lizenzen nutzen zu wollen. Was genau sind CC-Lizenzen, und entstehen hieraus nicht finanzielle Nachteile für Autoren?

CC-Lizenzen, also Creative Commons-Lizenzen, sehen vor, dass Medien zum Allgemeingut werden. Autoren behalten zwar das geistige Eigentum an ihren Werken, erlauben aber das Kopieren derselben für private und nichtkommerzielle Zwecke, wodurch es weiter verbreitet werden kann. Also wenn beispielsweise ein Kunde bei uns ein E-Book kauft, kann er das theoretisch kopieren und weiter geben, solange er kein Geld dafür verlangt. Er wird sich dann natürlich die Frage stellen, ob sich das lohnt, wenn das E-Book nur 5 Euro oder zukünftig sogar noch weniger kostet.

In der Vergangenheit hat man gesehen, dass Bücher unter CC-Lizenz nicht weniger häufig verkauft wurden als unter herkömmlicher Lizenz. Denn die Weitergabe fand entweder sowieso statt – kein Kopierschutz ist unüberwindbar – oder die Weitergabe erfolgte nur auf Grund der Tatsache, dass das Medium unter CC-Lizenz stand und so ein zusätzlicher Medienkonsument erreicht wurde, der das Buch selbst nie gekauft hätte. Insofern wird nach unserer Einschätzung für den Autor kein Nachteil entstehen. Im Gegenteil wird sein Name stärker verbreitet werden und damit sein Marktwert steigen.

Allerdings ... wir haben beim Start des Vereins natürlich vorwiegend Autoren vorgesehen, welche nicht auf die Autorenhonorare zur Deckung ihres Lebensunterhaltes angewiesen sind und uns die Inhalte "gemeinnützig" kostenlos zur Verfügung stellen. Später hoffen wir aber, besonders den jüngeren Autoren, welche von ihrer Arbeit als Autor leben, ein angemessenes Honorar zahlen zu können.

Wie finanziert sich Ihr Verein aktuell, und wie wollen Sie eine mittel- bis langfristige Finanzierung gewährleisten?

Naja, wir wollen weder Unterstützung durch Soros noch werden wir wohl aus Steuermitteln unterstützt werden, wie die großen Zeitungsverlage gerade. Und wir wollen auch nicht von einem Großspender abhängig werden. Deshalb hoffen wir auf viele kleine Spender und vor allen Dingen auf Vorauszahler. Für letztere haben wir ein Projekt aufgelegt, mit dem wir 60 Unterstützer suchen, welche für 50 Euro eine Reihe von Büchern erhalten oder erhebliche Nachlässe. Davon haben wir bereits in der ersten Woche fast die Hälfte einsammeln können und hoffen, kurzfristig das Ziel zu erreichen.

Welche allgemeine inhaltliche Ausrichtung werden die Veröffentlichungen voraussichtlich haben, und gibt es schon erste konkrete Buchprojekte?

Im ersten Buch, das kurz vor der inhaltlichen Fertigstellung steht, also kurz vor Abschluss der Korrekturphase, werden die Hintergründe der Protagonisten der Klimakrise beleuchtet, um dann den Bogen zur Corona-Krise zu schlagen, also die Zusammenhänge deutlich zu machen. Das zweite Buch, dessen Fertigstellung im April erwartet wird, berichtet über den Bürgerkrieg in der Ukraine – von den Demonstrationen auf dem Maidan bis zu den jüngsten Entwicklungen Anfang 2021. Darin werden viele umfangreiche Zitate aus einem wichtigen englischsprachigen Buch von Richard Sakwa diskutiert – Texte, die leider nie auf Deutsch erschienen.

Das dritte und größte Buch wird sich mit dem Spannungsfeld Deutschland, Israel und Palästina beschäftigen. Es gibt einen geschichtlichen Abriss, dann eine kritische Würdigung der Entscheidungen der Bundestagsabgeordneten am 17. Mai 2019 und ihrer Folgen, außerdem einen Medienspiegel der Ereignisse in Israel und Palästina von 2019 bis Ende 2020.

Dann wird ein Buch über den Zustand des Grundgesetzes folgen und ein ganz kleiner Beitrag, mit dem Medienkonsumenten geholfen werden soll, von sich aus Fake-News zu erkennen.

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